Hingucken oder weggucken? Interessiert es dich manchmal was nebenan, bei deinen Nachbarn passiert? Oder ist es dir egal? Was unterscheidet deine Wohngegend von anderen Gegenden? Warum hast du dich dafür entschieden, hier zu wohnen? Diese Fragen stellen Oda Projesi und Nadin Reschke, die in dem Projekt 15x75 hingucken weggucken zusammen arbeiten. Die Mauer des Einkaufszentrums Hamburg- Wilhelmsburg ist Ausgangspunkt ihres Interesses, sich mit der Bedeutung von Mauern im Kontext nachbarschaftlichen Zusammenlebens auseinander zu setzen.
Im Mittelpunkt des Projektes stehen die Wilhelmsburger Bewohnerinnen und Bewohner und ihr Alltag im Jahr 2007. Die Situation auf den Elbinseln war lange Zeit gekennzeichnet durch eine skandalträchtige Mischung aus politischen Fehlentscheidungen und Ignoranz. Stärker noch als in anderen Stadtteilen produziert die Wilhelmsburger Insellage dabei eine klar umrissene Landschaft. Sie fördert Zusammenhalt, Solidarität und einen gewissen Lokalpatriotismus, der sich positiv wie negativ definiert. Positiv wird die landschaftliche Schönheit der Inseln wahrgenommen, zu den kollektiven negativen Empfindungen gehört zum Beispiel das Gefühl bei allen Veränderungsprozessen am Ende als Verlierer dazustehen.
Dafür werden die drei Künstlerinnen selbst für drei Wochen zu Nachbarn im Quartier und sind mit einem Minibus und Klappmöbeln auf öffentlichen Plätzen unterwegs, um mit den Anwohnern in Kontakt zu kommen. Im Gespräch entwickeln sich Antworten und Strategien, die auf Postern im Stadtraum zu finden sein werden. Die Mauer wird so zur Metapher für Grenzen aber auch für Potenziale, denn jede Mauer kann teilen aber auch anstoßen zu überwinden und zu verbinden. Was im englischen „Wall“ ist, lässt sich im deutschen als Wand oder Mauer übersetzen und eröffnet jeweils einen anderen Assoziationsraum. Ist ein Gartenzaun nicht auch eine Mauer? An vier verschiedenen Orten schlagen die Künstlerinnen ihr Quartier auf und laden ein, mit zu diskutieren über die Bedeutung von Mauern und unseren Umgang mit ihnen, wenn sie bereits da sind. Hingucken oder weggucken?
75 Meter grauer Beton Wilhelmsburg, der nicht einmal durch Graffiti besetzt ist, scheint ein öffentlicher Raum ohne Nutzung, ein blinder Fleck im dichten Stadtraum zu sein. Ob und was mit der Mauer des Einkaufszentrum passiert, ist offen und wird während des Projektes verhandelt. Es ist eine Bürgerbeteiligung der anderen Art, wenn sich die Künstlerinnen als Baufirma tarnen und mittels einer Bau-Ausschreibung vorgeben, den Berta Kröger Platz umzugestalten. Sie nehmen damit Bezug auf die real stattfindende Architekturausschreibung des Platzes. Aber hier wird eingeladen, auf Klappstühlen direkt ins Gespräch zu kommen und sich im gegenseitigen Austausch zu beteiligen.