Arbeitsprobe

Projekt in Zusammenarbeit mit Inhaftierten der JVA Bautzen, 2011
28 Min., HD Farbe

“Arbeitsprobe” ist eine dialogische Videoarbeit, die in Zusammenarbeit mit Inhaftierten den Begriff von Arbeit und Arbeit als Resozialisierung innerhalb des Strafvollzugs kritisch hinterfragt. Die Aufnahmen entstanden in der Justizvollzugsanstalt Bautzen mit einer Gruppe auszubildender Tischler und gehen der Frage nach, inwieweit die haftinterne Ausbildung tatsächlich eine neue Perspektive für junge Inhaftierte darstellt. Die Videoarbeit lässt durch den Gebrauch von Masken eine experimentelle Spiel-Art des Dokumentarischen entstehen und arbeitet zum Teil mit expliziter Inszenierung: Durch die Maskierung der Protagonisten im Video entsteht eine Absurdität, die gängige Muster dokumentarischer Repräsentation in Frage stellt. Es geht nicht um empathische Identifikation mit Einzelschicksalen, sondern um die Analyse gesellschaftlicher Strukturen, hier der Struktur der Arbeit innerhalb der Ausbildung der JVA.

Die Ausbildung zum Tischler in der JVA Bautzen ist die einzige Ausbildungsmaßnahme in ganz Sachsen. Strafgefangene und Sicherungsverwahrte sind gemäß Strafvollzugsgesetz verpflichtet, eine ihnen zugewiesene Arbeit auszüben, zu der sie körperlich in der Lage sind (§ 41 StrVollzG). Hierfür erhalten sie eine Arbeitsentlohnung, die 9% des durchschnittlichen Verdienstes der ArbeiterInnen und Angestellten beträgt (§43 Abs. 2 StrVollzG).

Oftmals wird eine Arbeitsstelle und die Bereitschaft, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen als eine der wichtigsten Grundlagen dafür gesehen, daß ein Straffälliger nach der Haftentlassung weit weniger anfällig dafür ist, rückfaÅNllig zu werden. Trotzdem ist die Gefangenenarbeit – seit Jahrhunderten ein Pfeiler des Strafvollzugs – in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern unter Kritik geraten: in ihrer jetzigen Form sei sie kaum geeignet, ihrer Resozialisierungsaufgabe gerecht zu werden. In erster Linie wird der Mangel an Arbeitsplätzen,
die niedrige Entlohnung, der ungenügende Rechtsschutz und die oft unqualifizierte, monotone Art der Beschäftigung bemängelt. Mit Blick auf das üblicherweise geltende Arbeitsrecht kann festgestellt werden, dass Gefangene keinerlei Möglichkeit haben, auf das Arbeitsverhältnis Einfluss zu nehmen, weder auf individueller noch auf kollektiver Basis. Frankreich ist das einzige Land in Europa, das wenigstens die Arbeitspflicht im Gefängnis abgeschafft und damit formell die Trennung von Strafe und Arbeit vollzogen hat.

Die Videoarbeit stellt anhand des Beispiels der Ausbildung zum Tischler die Frage, welchen Stellenwert die Arbeit im Leben der Inhaftierten hat und welche Perspektiven ihnen die Ausbildung für ein Leben außerhalb des Vollzugs tatsächlich bietet. Ein Teil der Aufnahmen wurde im Pausenraum der JVA Bautzen gedreht, in dem die Inhaftierten ihre Mittags- und Kaffeepausen abhalten. Die Ruhepausen mit dem ritualisierten Rauchen bilden den Hintergrund von Gesprächszenen, in denen die Inhaftierten über ihre Einstellung zu Arbeit und die Ausbildung sprechen. Sie sind dabei jeweils nur maskiert zu sehen. Die Protagonisten scheinen dabei fast eine Rolle zu spielen. Dieses durchaus inszenierte Element wird überhoÅNht, um dabei die „Rolle als Rolle“ innerhalb der Gesellschaft zu hinterfragen und offen zu legen. Die Masken bekommen etwas Uniformiertes, Normiertes, das den Protagonisten auch zu wiederfahren scheint. Diesen Gesprächszenen stehen Arbeitsszenen gegenüber, welche die einzelnen Gesten des Arbeitens in der Tischlerei zeigen, wie Hobeln, Schleifen, Sägen, Verleimen. Die Aufnahmen der arbeitenden Gesten zeigen das Herstellen eines bestimmten Ausbildungsstücks (Hocker) als Close-up, so dass nur die Hände, das Werkzeug und das Material zu sehen sind. Die Arbeitsschritte entwickeln eine eigene Dynamik des Herstellens. Man sieht immer nur einen arbeiten, alle anderen schauen maskiert zu. Dabei wird der Arbeitsraum zur Bühne. Die Nähe der Kamera erzeugt hier eine Nähe und Intimität zum Arbeitsprozess, und nimmt eine poetische und philosophische Perspektive ein: Von den Inhaftierten gelesene Textstellen von Hannah Ahrendt zum Prozess des Herstellens bilden ein Voice Over, das einen Kontrapunkt darstellt.